OLG Köln: Vertragsgenerator Smartlaw zulässig

Ein elektronischer Generator von Rechtsdokumenten (hier der Vertragsgenerator smartlaw.de aus dem Hause Wolters Kluwer) verstößt nicht gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz – das hat der 6. Zivilsenat des OLG Köln heute entschieden (Urteil des OLG Köln vom 19.6.2020 – 6 U 263/19). Das OLG änderte damit das anderslautende Urteil des LG Köln ab.

Die Hanseatische Rechtsanwaltskammer Hamburg hatte gegen das vom juristischen Verlag Wolters Kluwer vertriebene Produkt geklagt. Das Programm richtet sich an fachfremdes Publikum. Mit seiner Hilfe können Verbraucher in unterschiedlichen Rechtsgebieten Rechtsdokumente, insbesondere Verträge, erstellen, nachdem sie durch einen Frage-Antwort-Katalog geführt worden sind. Der Verlag bewarb das Produkt u.a. mit der Aussage, es erzeuge “Rechtsdokumente in Anwaltsqualität” und sei “günstiger und schneller als der Anwalt”. Die Rechtsanwaltskammer wandte sich sowohl gegen die Werbung als auch gegen das Produkt. Sie vertritt die Ansicht, dass das Programm Rechtsdienstleistungen erbringe, die der Rechtsanwaltschaft vorbehalten seien (§§ 2, 3 RDG). Wolters Kluwer argumentierte dagegen, dass der Vertragsgenerator ähnlich wie die seit vielen Jahren etablierten Programme zur Erstellung der Steuererklärung wirke. Zielgruppe seien Personen, die ihre Verträge ohne anwaltliche Hilfe selbst erstellen würden und bisher auf gedruckte Formulare und Muster zurückgegriffen hätten.

Das OLG Köln führte zur Begründung seiner heutigen Entscheidung im Wesentlichen aus, dass sich weder aus dem Wortlaut noch aus der Entstehungsgeschichte von § 2 Abs. 1 RDG ein Verbot ableiten lasse. Auch der BGH habe sich in seiner Entscheidung zum Portal wenigermiete.de vor dem Hintergrund der Deregulierung und Liberalisierung des Rechtsdienstleistungsmarktes für eine großzügige Betrachtung ausgesprochen. Der vom Rechtsdienstleistungsgesetz bezweckte Schutz vor unqualifizierten Rechtsdienstleistungen erfordere das Verbot des Programms nicht. Vertragsgestaltung möge im Einzelfall eine Königsdisziplin der anwaltlichen Beratung sein. Ein Dokumentengenerator erweitere aber lediglich das bestehende Hilfsangebot von Vorstücken oder Formularhandbüchern zur Erledigung der eigenen Rechtsangelegenheiten in eigener Verantwortung um eine naheliegende digitale Möglichkeit.

Ein Schutz vor unqualifizierter Rechtsberatung müsse nur dort gewährleistet werden, wo eine rechtliche Beratung tatsächlich oder vorgeblich stattfinde. Für die Nutzer sei aber ohne weiteres erkennbar, dass der Dokumentengenerator nach einem Frage-Antwort-Schema vorgegebene Wortbausteine miteinander kombiniere und dass das Ergebnis von der Qualität der Bausteine und der im Programm vorgegebenen logischen Verknüpfungen einerseits sowie andererseits von der Richtigkeit, Sinnhaftigkeit und Stimmigkeit der eigenen Auswahlentscheidungen abhängt.

Zu den Voraussetzungen von § 2 Abs. 1 RDG führte das OLG u.a. aus, nach der Vorschrift sei nur eine “Tätigkeit in konkreter fremder Angelegenheit, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalles erfordert” verboten. Die Voraussetzungen seien nicht erfüllt. Das Programm selbst entfalte keine “Tätigkeit” i.S.d. Vorschrift. Eine “Tätigkeit” erfordere nämlich eine menschliche oder zumindest mitdenkende Aktivität. Ein rein schematisch ablaufender Subsumtionsvorgang, der vorgegebene Ja-/Nein-Entscheidungsstrukturen abarbeite, erfülle diese Voraussetzung dagegen nicht. Ob dies beim Einsatz echter künstlicher Intelligenz anders zu bewerten sei, sei nicht zu entscheiden gewesen. Das Programmieren der abstrakten rechtlichen Entscheidungsbäume sei zwar eine Tätigkeit, aber diese betreffe keine “konkreten” fremden Angelegenheiten.

Außerdem beträfen die in das Programm eingeflossenen juristischen Wertungen keine “rechtliche Prüfung des Einzelfalles”, sondern eine Vielzahl denkbarer Fälle. Das Programm laufe erkennbar nach einer festgelegten Routine in einem Frage-/Antwortschema ab, mit dem ein Sachverhalt in ein vorgegebenes Raster eingefügt werde. Streng logisch ablaufende und zu immer den gleichen eindeutigen Ergebnissen führende Verfahren seien daher auch nicht als objektive Rechtsprüfung im Rahmen einer juristischen Subsumtion zu bewerten. Die Kunden, die das Programm benutzten, handelten schließlich nicht in “fremder” Angelegenheit, sondern in eigener Sache. Jedem, der das Programm tatsächlich benutze, sei klar, dass er bei der Auswahl der Optionen keinen Rechtsrat erhalte, sondern in eigener Verantwortung einen Lebenssachverhalt in ein vorgegebenes Raster einfüge, während im Hintergrund ein rein schematischer Ja-Nein-Code ausgeführt werde.

In erster Instanz war dem Verlag auch verboten worden, für das Produkt mit Aussagen wie “Günstiger und schneller als der Anwalt” und “Rechtsdokumente in Anwaltsqualität” zu werben. Die hiergegen gerichtete Berufung hatte der Verlag nach einem Hinweis des Senats zurückgenommen, so dass dieses Verbot bereits rechtskräftig geworden ist.