Der Legal Engineer – Interview mit Dr. Gernot Halbleib

Mit der Legal Technology Lecture Series betritt die Bucerius Law School Neuland in der juristischen Ausbildung. Während Legal Technology bereits in einigen US-Universitäten Einzug in das Ausbildungscurriculum gefunden hat, fristet das Thema Legal Tech, also die Anwendung von Technologie auf bzw. im Recht, in der deutschen Juristenausbildung bislang ein Schattendasein. Mit der Legal Technology Lecture Series möchte die Bucerius Law School dies ändern. Als Redner konnte Dr. Gernot Halbleib, ein Alumnus der Law School, gewonnen werden. Gernot Halbleib war seit seiner Schulzeit als Internet-Entwickler tätig, bevor er im Jahr 2001 eine Internetagentur als selbstständigen Nebenerwerb gründete. Nach Studium der Rechtswissenschaft in Hamburg und New York, Promotion und Referendariat sammelte Gernot Halbleib „Startup-Erfahrung“ u.a. bei Home24.de und Project A Ventures.

In den Mittelpunkt seiner Überlegungen stellte Gernot Halbleib den Begriff des “Legel Engineers”. Der Legal Enigneer ist – so eine von Gernot Halbleib präsentierte Definition – eine Person, die an der Schnittstelle zwischen juristischen Experten und IT-Experten arbeitet. Er digitalisiert die durch den juristischen Experten entwickelten juristischen Zusammenhänge und spezifiziert sie so, dass sie durch den IT-Experten in ein wissensbasiertes IT-System umgesetzt werden können, das juristische Arbeit automatisiert. Damit beschrieb Gernot Halbleib ein neues und äußerst zukunftsträchtiges Arbeitsfeld für Juristen, das Richard Susskind in seinem Buch Tomorrow’s Lawyer als “Legal Technologists” (S. 112f.) definiert. Nach Susskind sind Legal Technologist “individuals trained and experienced both in the practice of law and in the profession of systems engineering and IT management“. They are a “new cadre” which “can bridge the gap between law and technology“.

Gernot Halbleib veranschaulichte die Arbeit des Legal Engineers am Beispiel der Bearbeitung von Massenverfahren, wie z.B. Bearbeitung von Kreditwiderrufsfällen. Juristische Massenverfahren zeichnet sich dadurch aus, dass es standardisierbare, einfach zu beweisende Sachverhaltsmerkmale sowohl bei Tatbestandsvoraussetzungen als auch bei der Rechtsfolge gibt. Die Anspruchsdurchsetzung lässt sich daher in hohem Maße standardisieren und automatisieren. Hierz müssen

  • Datenerfassung
  • (Eingangs-)Prüfung der Ansprüche
  • Dokumentengenerierung
  • Prozessmanagement
  • Kommunikation mit dem Mandanten

ganz oder zum großen Teildurch technische Lösungen standardisiert und automatisiert werden.

Bei der Entwicklung und Implementierung der technischen Lösung kommt der Legal Engineer bzw. der Legal Technologist ins Spiel. Dieser gewährleistet, dass adäquate technische Lösungen entwickelt werden. Dazu muss sichergestellt werden, dass sowohl die juristischen Zusammenhänge und Arbeitsschritte inhaltlich richtig abgebildet werden und diese in Anforderungen “übersetzt” werden, die von Programmieren oder IT-Dienstleister verstanden werden. Die Arbeit des Legal Engineers umfasst auch das Produktmanagement sowie das Testen des Produkts bis zum finalen Release.

Gernot Halbleib berät Unternehmen und Kanzleien im Bereich Legal Tech und Business Development und ist selbst als Unternehmer aktiv. Er hat das Startup Recht ohne Risiko 2015 gegründet. Das Startup ermöglicht Verbrauchern die Durchsetzung ihrer Rechte gegen Erfolgshonorar und bietet aktuell Hilfe bei der juristischen Durchsetzung der Rückzahlung der sog. Vorfälligkeitsentschädigung nach dem Widerruf von Hauskrediten.

Hierzu und weiteren Themen mehr im Interview mit Gernot Halbleib:

Micha-Manuel Bues: Lieber Gernot, in deiner Vorlesung hast du herausgearbeitet, welche Bedeutung und Aufgabe dem Legal Engineer zukommt. Was war deine Motivation, dich in diesem Bereich zu positionieren?

Gernot Halbleib: Lieber Micha, mit meiner Tätigkeit vereine ich meine Leidenschaften für Unternehmertum, Jura und IT. In mehreren Beratungsprojekten und einer Gründung an der Schnittstelle zwischen Jura und IT habe ich ein Tätigkeitsfeld gefunden, bei dem ich meine Fähigkeiten und Erfahrungen aus ganz unterschiedlichen Bereichen gleichzeitig einbringen kann. Das macht viel Spaß.

Auf einer Konferenz im letzten Herbst habe ich dann den Begriff des “Legal Engineers” aufgeschnappt und dachte spontan, dass man damit ein Arbeitsbild wie meines zwischen Jura und IT ziemlich gut bezeichnen könnte. Dies hat mich zu dem Vortrag an der Bucerius Law School inspiriert, in dem ich versucht habe den Studenten eine Beschreibung des Arbeitsbildes eines “Legal Engineers” zu vermitteln und diesen Begriff näher zu definieren.

Warum ist aus deiner Sicht das Berufsbild des Legal Engineers so spannend und zukunftsträchtig? Wie können sich Jurastudenten vorbereiten, um später einmal in dieser Schnittstelle zu arbeiten? Welche praktischen Tipps würdest du hierzu geben?

Jura und IT werden in Zukunft immer weiter verschmelzen. Es ist schon vielfach besprochen worden, dass der Rechtsmarkt im Vergleich zu anderen Branchen in puncto Digitalisierung weit zurück liegt und ich erwarte hier ein schnelles Aufholen in den nächsten Jahren. Dies zeigt auch das aktuell aufkommende Interesse an “Legal Tech”.

Die Digitalisierung wird bestehende Geschäftsmodelle verändern und neue Geschäftsmodelle hervorbringen. Egal wie diese Veränderungen konkret aussehen werden, wird es Leute benötigen, die sowohl in Jura als auch in IT fit sind, um den Wandel zu gestalten. Reines Expertenwissen in einem der beiden Bereiche reicht dazu nicht aus: Wenn sich beispielsweise ein Software-Entwickler und ein Jurist, der wenig oder keine IT-Kenntnisse mitbringt, über ein Automatisierungsprojekt unterhalten, werden sie sich nicht verstehen und mit ziemlicher Sicherheit wird am Ende nicht das gewünschte Ergebnis herauskommen. Hier hilft der Legal Engineer, der beide Sprachen spricht und die durch den juristischen Experten entwickelten juristischen Zusammenhänge digitalisiert. Er spezifiziert die gewünschten Anforderungen so, dass sie durch den IT-Experten in ein wissensbasiertes IT-System umgesetzt werden können, das die juristische Arbeit automatisiert und durch einen juristischen Experten konfiguriert werden kann.

Wenn man überlegt, was den Legal Engineer für seine Tätigkeit qualifiziert, ist dies abstrakt gesprochen, sowohl juristisch als auch algorithmisch denken zu können. Entscheidend ist dabei was die IT angeht aber mehr ein gutes praktisches Grundverständnis als theoretische Kenntnisse. Man muss also als Jurist nicht noch Informatik studieren, um an der Schnittstelle zu arbeiten. Mir hat es geholfen, dass ich mich schon als Jugendlicher viel mit Programmieren beschäftigt habe und als Schüler und Student nebenbei Webauftritte für Unternehmen entwickelt habe. Wie professionelle Softwareentwicklung funktioniert habe ich gelernt, als ich nach dem zweiten Staatsexamen in Internet-Startups gearbeitet habe. Dort habe ich oft Projekte an der Schnittstelle zwischen der IT und den Business-Abteilungen gemanagt. Auch dies ist eine typische Schnittstellen-Funktion, die in der Branche als IT-Produktmanagement bezeichnet wird.

Wer jetzt Jura studiert und schon Grundkenntnisse in der IT hat, sollte möglichst früh praktische Erfahrungen in dem Bereich sammeln. Am besten ist ein Praktikum in einem Legal Tech Startup. Nebenbei kann man auch in Hobby-Projekten gute IT-Erfahrung sammeln, am besten im Team und mit “richtigen” Entwicklern zusammen. Da gibt es unendlich viele Möglichkeiten.

Auch wer noch nicht programmieren kann, kann sich solche Projekte suchen, bei denen er einsteigen kann. Hauptsache ist, etwas zu machen, wo man schnell praktische Ergebnisse sehen kann und Erfolgserlebnisse hat. Einen Einstieg in die Programmierung findet man leicht über frei zugängliche Quellen im Internet. Ich würde aber empfehlen dies nicht allein im stillen Kämmerlein zu versuchen, sondern mit Leuten zusammen, die dieselben Interessen haben. Toll wäre es, wenn es dafür an den Unis schon Einsteigerkurse oder -foren geben würde, so etwas wie “Programmieren für Juristen”, wo sich Interessierte finden können und der allererste Zugang erleichtert wird.

Sehr spannend. Nun zurück zu dir. Du hast selbst gerade den Weg des “Entrepreneurial Lawyers” beschritten. Welches Problem adressiert deine im Jahr 2015 gegründete Firma “Recht ohne Risko” und warum hast du dich entschieden, gerade in diesem Marktsegment zu launchen?

Recht ohne Risiko ermöglicht Verbrauchern die Durchsetzung ihrer Rechte gegen Erfolgshonorar.

Viele Verbraucher haben rechtliche Ansprüche, die sie aber nicht durchsetzen. Wenn sich der Anspruchsgegner sperrt – viele, vor allem große Player tun dies auch bei eindeutiger Rechtslage – müsste der Verbraucher zum Anwalt gehen und eine Klage einreichen. Viele tun dies aber nicht, weil sie den eigenen Aufwand sowie Anwalts- und Gerichtskosten scheuen, die sie übernehmen müssten, wenn sie vor Gericht unterliegen. Auch fällt es dem Laien oft trotz anwaltlicher Beratung schwer, das Risiko der Rechtsdurchsetzung selbst einzuschätzen. Wer kein Risiko eingehen will, kann sich an Recht ohne Risiko wenden. Wir übernehmen die Anwalts- und Gerichtskosten komplett auch im Falle des Unterliegens. Nur wenn die Rechtsverfolgung für den Verbraucher erfolgreich ist, erhalten wir einen Teil des Gewinns als Erfolgshonorar. Der Kunde kann also nur gewinnen. Recht ohne Risiko ist vor kurzem mit einem bankrechtlichen Thema, der Rückforderung von Vorfälligkeitsentschädigungen bei Kreditwiderrufsfällen, an den Start gegangen. Weitere Rechtsgebiete sind in der Entwicklung.

Es gibt viele Konstellationen, in denen Verbraucher bei der Rechtsdurchsetzung benachteiligt sind und für mich ist es ein Ansporn, den Verbraucher mit meinem Angebot auf Augenhöhe mit oft übermächtigen Gegnern zu bringen. Ein effektiver Schutz von Verbrauchern und z.B. auch Kleinanlegern am Kapitalmarkt kann nur gelingen, wenn neben Markttransparenz und staatlicher Aufsicht auch das private enforcement von Verbraucherrechten funktioniert. Nur so entfalten Sanktionen wie Schadensersatz, die ja für viele Verstöße gesetzlich normiert sind, eine ausreichende Abschreckungswirkung. Da es in Deutschland – anders als in anderen Ländern – keine echten Sammelklagen gibt, die diese Funktion erfüllen könnten, ist ein Service, der die private Rechtsdurchsetzung durch Verbraucher fördert, sehr sinnvoll.

Mir ist es auch ein Anliegen, den Zugang zum Recht zu vereinfachen. Für viele Menschen ist es nach wie vor eine Hürde, zum Rechtsanwalt zu gehen. Ein Dienst im Internet kann dieses Problem lösen, wenn er einen rechtlichen Sachverhalt für den Verbraucher verständlich erklärt, den Kunden durch einen gut bedienbaren Prozess führt und ihn ohne juristische Geheimsprache über alles Wichtige bei der Durchsetzung auf dem Laufenden hält.

Dies alles zu schaffen bringt viele wirtschaftliche, rechtliche und technische Herausforderungen mit sich. Diese Nüsse zu knacken und mit einem daraus entstehenden neuen Service hoffentlich vielen Menschen zu helfen, ist mein Ansporn, dieses Geschäftsmodell zu entwickeln.

Derzeit wird leidenschaftlich diskutiert, welche Auswirkungen Technologien wie künstliche Intelligenz oder Big Data auf die Rechtsbranche haben. Viele Experten prognostizieren erhebliche Veränderungen im Rechtsmarkt. Viele weisen aber auch auf die Herausforderungen hin. Warum ist aus deiner Sicht die Anwendung von Technologie auf Recht schwierig? Welche besonderen Herausforderungen gibt es?

Ich habe in Beratungsprojekten und während meiner Zeit als Referendar die Erfahrung gemacht, dass es Anwälten und Anwaltskanzleien schwerer fällt als anderen Unternehmen, neue Technologien zu adaptieren. Dafür braucht es ein gutes Projekt- und Prozessmanagement und das ist etwas, wofür Rechtsanwälte nicht in erster Linie ausgebildet werden. Die Technologien sind ja lange nicht so weit, etwa den kompletten anwaltlichen Arbeitsprozess abzubilden und zu ersetzen. Die Chancen liegen vielmehr darin, einzelne Arbeitsschritte durch Technologie schneller, besser und billiger zu machen. Um dies zu ermöglichen, muss der Anwalt seinen Arbeitsablauf aber zunächst einmal als Prozess von einzelnen Arbeitsschritten begreifen und entsprechend organisieren.

Bestimmte Arbeitsschritte, die nicht notwendigerweise durch einen Anwalt bearbeitet werden müssen, können dann von anderen übernommen werden. Das können intelligente Maschinen sein, die Arbeitsschritte komplett automatisieren. Häufig werden es aber zunächst mit Software unterstützte nicht-anwaltliche interne Fachkräfte oder Outsourcing-Dienstleister sein, die einzelne Arbeitsschritte halbautomatisiert übernehmen. Die meisten Technologien, die dafür benötigt werden, sind übrigens längst erfunden. Künstliche Intelligenz und Big Data werden wohl in Zukunft weitere Automatisierung erlauben, aber schon mit anderen technologisch relativ einfachen Mitteln wie standardisierter Mandantenkommunikation, datengestützter Mandatsbearbeitung, automatischer Dokumentgenerierung mit konfigurierbaren Templates oder fallbaumgestützter automatischer Fallprüfung kommt man hier schon sehr weit. Was man dafür technologisch braucht, wird in anderen Bereichen schon erfolgreich eingesetzt. Die Herausforderung liegt hier in der Übertragung dieser Technologien auf die Rechtsdienstleistung. Dazu ist die Schnittstellenkompetenz eines Legal Engineers nötig, die man allerdings bisher bei den wenigsten Rechtsdienstleistern finden kann.

Die größte Herausforderung liegt allerdings in einer notwendigen Bewusstseinsänderung der Anwälte selbst. In einer effizienten Prozessstruktur sollte die Arbeitskraft des Anwalts nur noch dort eingesetzt werden, wo sie wirklich notwendig ist. Damit kann der Anwalt sein Geschäft viel stärker skalieren als in herkömmlichen Strukturen. Vielen Anwälten gefällt diese Vorstellung aber nicht, da sie ein Mandat lieber von A bis Z komplett selbst bearbeiten, und Arbeitsprozesse ungern „aus der Hand“ geben. Und solange man seinem Mandanten diese zum Teil ineffiziente Tätigkeit ohne Probleme nach Stundensätzen in Rechnung stellen kann, bestehen geringe Anreize, daran etwas zu ändern und in eine stärkere Automatisierung zu investieren. Daher rechne ich damit, dass die Innovation zunächst von nicht-anwaltlichen Playern ausgehen wird.

Skalierbarkeit ist ein Buzzwort, das in jedem Pitchdeck fallen muss. Häufig wird behauptet, Recht sei nicht skalierbar? Was würdest du hierauf erwidern?

Natürlich ist Recht skalierbar. Positive Skaleneffekte sind vielen Rechtsdienstleistungen immanent: Zum einen können sie aus einer Spezialisierung entstehen und zum anderen aus Standardisierung und Automatisierung. Skaleneffekte durch Spezialisierung liegen bei Rechtsdienstleistungen auf der Hand: je mehr ähnliche Rechtsfälle ich bearbeite, desto mehr fallen Lerneffekte, also Erfahrung und die Wiederverwertbarkeit früherer Ergebnisse, ins Gewicht. Der fünfte ähnliche Fall ist mit weniger Aufwand zu bearbeiten als der erste, das heißt die Grenzkosten sinken. Viele Anwälte nutzen diesen Effekt bereits, indem sie sich auf bestimmte Rechtsgebiete spezialisieren. Eine Spezialisierung kann aber noch viel weiter gedacht werden, beispielsweise auf ganz bestimmte, häufig auftretende Fallkonstellationen innerhalb eines Rechtsgebietes. Auch ein gutes Wissens- und Vorlagenmanagement sind hier entscheidend. Wie Standardisierung und Automatisierung von Prozessabläufen die anwaltliche Arbeit effizienter machen können, habe ich eben schon beschrieben. Positive Skaleneffekte ergeben sich hier daraus, dass die relativ großen Anfangsinvestitionen für Technik und Organisationsentwicklung fix sind und somit auch hier die Grenzkosten mit zunehmender Skalierung sinken.

Die entscheidende Frage ist allerdings, ob ein Geschäftsmodell skalierbar ist. Wer nach Stundensätzen abrechnet, kann von Skaleneffekten nur eingeschränkt profitieren. Auch bei sehr effizienter Arbeitsweise lassen sich Stundensätze am Markt nicht unendlich hochschrauben und auch die Gesamtzahl der Stunden, die ein Anwalt erbringen kann, ist begrenzt. Eine gewisse Hebelwirkung lässt sich durch den Einsatz von Angestellten erzielen, die ebenfalls nach Stunden abgerechnet werden, aber auch dies stößt schnell an organisatorische und Effizienzgrenzen. Eine volle Nutzung von positiven Skaleneffekten setzt daher eine Abrechnung nach anderen Modellen, z.B. Pauschalpreisen, voraus. Da dies auch einem zunehmenden Bedürfnis der Nachfrageseite bei Unternehmen und Verbrauchern nach kalkulierbaren Kosten entspricht, erwarte ich eine Verstärkung des Trends in diese Richtung.

Was ist deine Prognose, welche Veränderungen durch Technologie wird es in den nächsten Jahren geben?

Durch die genannten Trends werden Rechtsdienstleistungen billiger und leichter zugänglich werden. Dies wird zu einer Vergrößerung der Nachfrage führen, insbesondere bei Rechtsdienstleistungen für Verbraucher, wo es einen großen bisher ungedeckten Bedarf gibt. Daher glaube ich auch nicht an Prognosen, die man teilweise liest, dass es durch Technisierung insgesamt weniger Arbeit für Rechtsanwälte geben wird. Die Art und Weise, wie Rechtsanwälte arbeiten, wird sich aber stark verändern. Im Alltag von Anwälten werden Arbeiten wegfallen, die durch Nicht-Rechtsanwälte effizienter erledigt werden können und Anwälte werden sich stärker mit Projektsteuerung und Standardisierung von Tätigkeiten beschäftigen.

Strukturen mit nicht oder nur schwer skalierbaren Geschäftsmodellen werden es immer schwerer haben, sich am Markt zu behaupten, beispielsweise Großkanzleien mit einer pyramidenartigen Personalstruktur aus wenigen Partnern und vielen Associates. Veränderte Geschäftsmodelle werden auch zu veränderten internen Vergütungsmodellen und Anreizstrukturen führen, , wenn z.B. eine Steuerung über „billable hours“ nicht mehr zum Ziel führt.

Was ist aus deiner Sicht notwendig, damit das Thema Legal Tech in Deutschland präsenter wird und mehr Investitionsbereitschaft in diesem Bereich erzeugt wird?

Um Investoren zu überzeugen, brauchen Legal Tech Unternehmen die Chance, einen Proof of concept am Markt zu erbringen. Dafür braucht es auf Kundenseite first mover, die sich auf neue Produkte einlassen, selbst wenn diese vielleicht noch nicht komplett ausentwickelt und etabliert sind. Zunehmender Kosten- und Wettbewerbsdruck bei Kanzleien und Rechtsabteilungen wirken hier positiv, auch Verbraucher lassen sich immer mehr auf neue Formen der Rechtsdienstleistung ein.

Ein generell positives Investitionsklima wird entstehen, wenn Legal Tech von Investoren als Trend entdeckt wird, wie z.B. FinTech in den letzten Jahren. Dazu müssen wir weiter an der Sichtbarkeit von neuen Geschäftsmodellen arbeiten und von Investments, die in diesen Bereich fließen. Die zunehmende Vernetzung von Legal Tech-Gründern, innovationsbegeisterten Anwälten, Forschern und potenziellen Investoren, die gerade in Berlin und anderswo stattfindet, ist ein wichtiger Schritt dahin!

 Vielen Dank für das Gespräch!