Legal Data Technology: Zukunft des Rechts (mit)gestalten

Von Mischa Peters — Mit der standardisierten Erfassung von Rechtsfällen ermöglicht die Legal Data Technology GmbH deren vollautomatische Analyse und Bearbeitung. Das Legal-Tech-Angebot des Wuppertaler Startups richtet sich vor allem an mittelständische Verbraucherkanzleien und Versicherungen. Wir haben mit dem Mitgründer und Geschäftsführer Tim Platner gesprochen und uns die Services der Legal Data Technology einmal etwas genauer vorstellen lassen – im Interview spricht Platner über die Bedeutung guter Software für die Durchsetzung von Recht, erklärt uns, warum man sich von Beginn an auf die Softwareentwicklung eines modularen Legal-Tech-Baukastens konzentriert hat, und konstatiert, dass Legal Tech ohne Tech kein Legal Tech ist.

LTB: Lieber Herr Platner, auf der Homepage der Legal Data Technology GmbH heißt es “Wir gestalten die Zukunft des Rechts” und im Subtext „Wir machen Recht einfach, schnell und zugänglich.“ Was steckt hinter diesen plakativen Aussagen? Was dürfen Kunden von der Legal Data Technology erwarten, welche Services bieten Sie an?

Tim Platner: Für uns steht fest, dass der Zugang zum und die Durchsetzung von Recht immer stärker und teilweise sogar jetzt schon entscheidend von guter Software abhängt. Deshalb haben wir uns von Beginn an auf die Softwareentwicklung eines modularen Legal-Tech-Baukastens konzentriert, mit dem wir innerhalb sehr kurzer Entwicklungszeiträume Legal-Tech-Lösungen für Rechtsschutzversicherer, mittelständische Kanzleien und eigene Rechtsdienstleistungen entwickeln können.

Wir konzentrieren uns dabei nicht auf Sweetspotlösungen, sondern haben von Beginn an das Augenmerk auf eine ganzheitliche Lösung gerichtet, um Reibungsverluste zu vermeiden. Von der Fallmeldung über die Echtzeiteinschätzung der Erfolgsaussichten bis hin zu automatisiert erstellten Schriftsätzen mit Onlineakte stellen wir unseren Kunden ein gesamtes Ökosystem zur Verfügung, das beliebig um Sweetspotlösungen ergänzt werden kann.

LTB: Gibt es eine Geschichte zur Gründung von Legal Data Technology? Wie ist die Geschäftsidee entstanden?

Tim Platner ist Mitgründer und Geschäftsführer der Legal Data Technology GmbH.

Platner: Der Gründungsimpuls kam aus der Praxis: Ich habe neben meinem Jurastudium in einer Kanzlei gearbeitet und die Mandatsarbeit geliebt. Was mich gestört hat, war die behäbige Kanzleisoftware, deren Grundgerüst aus den 90er Jahren stammt und für Mandanten, Mitarbeiter und Anwälte aus meiner Sicht eine Zumutung war und ist. Wenn Kanzleiprozesse ineffizient sind, gefährdet das die Wirtschaftlichkeit der Mandatsführung und damit die Rechtsdurchsetzung im Sinne des Mandanten, wenn Mandate nicht regelmäßig zu pro-bono-Fällen werden sollen. Dies gilt erst recht, wenn das Gegenüber technologisch besser aufgestellt ist.

Als meine Suche nach einer Softwarelösung, die Mandanten und Kanzleien näher zusammenbringt und Prozesse automatisiert, erfolglos war, war mein Impuls „dann machen wir es selbst“. Ich habe Sebastian, einem langjährigen Schulfreund, der sein Informatikstudium bei SAP abgeschlossen hat und gerade bei Accenture seine Karriere begann, meine Idee gepitched und seine spontane Reaktion war glücklicherweise sofort „ich bin dabei“. Seitdem entwickeln wir in einem immer größer werdenden Team aus Informatikern und Juristen unsere eigene Legal-Tech-Software.

LTB: Der Legal-Tech-Markt bringt immer neue Startups und Anbieter innovativer Tech-Lösungen hervor. Was ist das Besondere an Legal Data Technology, was unterscheidet Ihre Services von denen anderen Anbieter, wo haben Sie die Nase vorn (und warum)?

Platner: Dass immer neue Startups und Unternehmen den Legal-Tech-Bereich bereichern, finde ich großartig! Die Legal-Tech-Szene ist aus meiner Sicht im Verhältnis zur Bedeutung der Thematik noch bemerkenswert klein.

Aus unserer Sicht ist das Kernstück an Legal-Tech das zweite Wort: Tech. Das bisherige Defizit liegt im „Tech“-Aspekt, der erst zu niederschwelligen Rechtsdienstleistungen, wirtschaftlichen Kleinmandaten und damit der Einebnung von partiellen Rechtsdurchsetzungsdefizititen führt. Um es simpel und drastisch zu formulieren: Legal Tech ohne Tech ist kein Legal Tech.

Deshalb haben wir von Beginn an viel Zeit und Geld für eine nachhaltige Modulbauweise und eine leistungsstarke Inhouse-Entwicklung investiert, um möglichst sichere, stabile und skalierbare Lösungen zu entwickeln, die gleichzeitig schnell genug auf neue Anforderungen unserer Kunden angepasst werden können.

Wir müssen teilweise innerhalb eines Wochenendes Lösungen für Massenverfahren mit Echtzeiteinschätzung, Prozessautomation uvm. entwickeln, die viele tausend Mandate innerhalb kürzester Zeit abfangen müssen. Hierbei ist ein eingespieltes, interdisziplinär aufgestelltes Team aus Informatikern, Juristen, UX-Designern uvm. unverzichtbar.

Zusätzlich probieren wir selbst viel Neues aus, um auf neue Anforderungen proaktiv reagieren zu können. Welche rechtlichen Themen könnten interessant sein oder werden? Welche Angebote wünschen sich Verbraucher hierfür? Wie können wir Daten aggregieren, analysieren und verbinden, um Mandanten schneller zu ihrem Recht zu verhelfen? Diese keinesfalls neuen Fragen versuchen wir möglichst schnell mit selbst entwickelten PoCs auszutesten – hier kommt der „Tech“-Aspekt wieder zum Tragen – und dann entweder zu verwerfen oder weiter auszubauen.

LTB: Was sagen Sie jungen Unternehmern oder solchen, die es werden wollen? Lohnt sich der Sprung ins kalte Wasser und wie erkennt man, ob die eigene Idee wirklich zündet und auch trägt?

Platner: Natürlich kommt es auf die eigenen Ideen und Visionen an, aber man sollte das Maß an erforderlichem Durchhaltevermögen, Rückschlagen und zeitlichem Einsatz nicht unterschätzen. Dafür erarbeitet man sich ein Maß an Freiheit und Selbstverwirklichung, das wortwörtlich unbezahlbar ist.

Ich jedenfalls habe es keinen Moment bereut und freue mich jeden Tag darauf, völlig neue Herausforderungen zu lösen und Ideen umzusetzen. Um eine Idee auszutesten, sollte und muss man „einfach machen“. Eine gute Idee funktioniert auch im Kleinen, der „Proof-of-Concept“ ist dann auch eine gute Grundlage für erfolgreiche Investorengespräche.

LTB: Grundsätzlich gibt es – selbst bei großartigen Ideen und einer soliden Planung – immer das Risiko des Scheiterns? Wie lässt sich diesem seriös begegnen und was tun Sie bei der Legal Data Technology GmbH, um Risiken zu minimieren?

Platner: Stichwort: Lean startup. Langsam und gesund wachsen, auf das konzentrieren, was Umsatz generiert, im Kleinen testen und dann ausbauen und während des Wachstums Rückschläge einplanen.

LTB: Wie sind sie derzeit personell aufgestellt? Wer sind die Gründer und wie groß ist Ihr Team aktuell?

Platner: Sebastian als Informatiker und ich als Jurist sind die Gründer. Beide Kompetenzen sollten aus meiner Sicht fest im Gründerteam vorhanden sein. Das Team ist im juristischen Bereich durch den Ausbau unserer Verbraucherplattform VINQO.DE, die sich auf die Durchsetzung von Schadenersatz- und Schmerzensgeldansprüchen konzentriert, stark gewachsen und das Entwicklerteam ist aktuell auch gut ausgelastet. Wir haben vor kurzem ein weiteres Investment erzielt und werden damit u.a. die Bereiche Vertrieb, Marketing und Recht weiter ausbauen.

LTB: Ein kurzer Blick in die Zukunft: Welche Ziele möchten Sie kurz-, mittel- und langfristig erreichen? Sind bereits weitere Projekte in Planung?

Platner: Unser Kalender ist für das nächste Dreivierteljahr bereits eng mit Projekten, Aufträgen und Partnerschaften durchgetaktet – was uns sehr freut. Wir werden das Thema „Legal Tech in der Schadenabwicklung“ mit mehreren Partnerschaften noch stärker fokussieren. Daneben oder besser gesagt ergänzend gucken wir uns den Art. 82 DSGVO nebst Rechtsprechung gerade etwas genauer an (lacht).

Wir haben im letzten Jahr viel entwicklungsbezogene Grundlagenarbeit geleistet und haben in diesem Jahr sämtliche Grundmodule abgeschlossen. Wir führen gerade Gespräche, ob wir unsere Software nicht als SaaS-Legal-Tech-Lösung anbieten bzw. vertreiben lassen wollen. Das gucken wir uns aktuell auch sehr genau an.

LTB: Zum Abschluss noch die Bitte um eine allgemeine Einschätzung zur Situation auf dem Legal-Tech-Markt: Wohin geht die Reise ihrer Meinung nach? In welchen Bereichen werden sich Tech-Lösungen langfristig etablieren, wo sind die nachhaltigsten Erfolge zu erwarten?

Platner: Aus meiner Sicht sollte man hier differenzieren: Im Verbraucherbereich erleben wir mit unserer Schmerzensgeldplattform VINQO.DE selbst, dass die Akzeptanz von Legal-Tech-Lösungen immer weiter zunimmt und damit der potentielle Markt weiter wächst, nicht zuletzt durch die klarstellenden, zwischenzeitlich drei BGH-Entscheidungen zum Geschäftsmodell von LexFox, jetzt CONNY. Die Pionierarbeit der Legal-Techs der „ersten Generation“ kann kaum überschätzt werden, hat sie doch das Bewusstsein und die Akzeptanz von Verbrauchern für nichtanwaltliche Rechtsdienstleistungen in Deutschland geschaffen.

Hier dürfte mit einer signifikanten Zunahme von nichtanwaltlichen Rechtsdienstleistungen zu rechnen sein und dies ist – ungeachtet des fortwährenden Aufschreis einiger Berufsrechtler – eine gute Entwicklung, führt sie doch zu einer Stärkung rechtsstaatlicher Grundwerte: der Durchsetzung von Recht.

Dabei zeigt sich, wenn man genau hinguckt, dass es Nachahmer bestehender Legal-Tech-Angebote schwer haben. Mit jedem Tag steigt der datengetriebene Effizienzgrad bestehender Legal-Tech-Software weiter, der erst einmal wieder aufgeholt werden muss, um konkurrenzfähig zu werden bzw. zu bleiben, insbesondere weil eine eigene Softwareentwicklung hohe „up-front“-Investitionen erfordert.

Die Wichtigkeit des Tech-Elements kann deshalb aus meiner Sicht nicht häufig genug betont werden, wenn es um Legal-Tech geht. Um nicht die abgedroschene Phrase zu verwenden, dass die Digitalisierung alles verändert: Die Wucht, mit der Software ganz unmittelbar die anwaltliche und nichtanwaltliche Rechtspraxis bestimmen wird, sollte nicht leichtfertig unterschätzt oder gänzlich ignoriert werden. Und in dieser Hinsicht, um den Bogen auf die Eingangsfrage zurückzuspannen, gestalten wir mit unserer Legal-Tech-Softwareentwicklung „die Zukunft des Rechts“ ein Stück weit mit.

LTB: Vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg für die Zukunft.