Jeder sollte einen Freund für das Steuerrecht haben – Interview mit Jan Dobinsky (taxFriend)

von Nico Kuhlmann

Regelmäßig und unausweichlich kommt die Zeit, in der die Steuererklärung gemacht werden muss. Bei den meisten Steuerpflichtigen ist dies nicht unbedingt die schönste Zeit des Jahres. Glücklich kann sich schätzen, wer dann einen Steuerratgeber hat oder am besten noch einen ‘Steuer-Freund’.

Jan Dobinsky hat vor kurzem mit seinem Mitgründer Krzysztof Tomasz Zembrowski den Online-Ratgeber taxFriend.de veröffentlicht. Dabei handelt es sich um einen interaktiven Ratgeber, der insbesondere Gründern und Selbstständigen, aber auch Angestellten und Studenten bei der Beantwortung von Standardfragen im Steuerrecht unterstützen soll. Beide Gründer haben eine juristische Ausbildung durchlaufen und arbeiten heute als selbstständige Programmierer und IT-Prozessberater im Steuerrecht (rechtlogisch.de).

Nico Kuhlmann: Lieber Jan, was genau bietet Ihr unter taxFriend.de an? Wie funktioniert Euer Online-Dienst?

Jan Dobinsky: Wie ein üblicher Steuerratgeber in Buchform hilft auch der interaktive Steuerratgeber taxFriend dem Nutzer, Fragen im Steuerrecht zu beantworten. Der Unterschied ist, dass der Nutzer durch ein Frage-Antwort-System zum Ergebnis auf seine Frage geführt wird. Zum Beispiel wird der Nutzer bei der Frage zur steuerlichen Absetzbarkeit des Arbeitszimmers gefragt, ob es sich um ein Durchgangszimmer handelt oder wie der Raum genutzt wird. Als Ausgabe erhält der Nutzer die Antwort, ob er typischerweise das Arbeitszimmer steuerlich absetzen kann oder nicht (Beispiel).

Nico Kuhlmann: Was war Eure Motivation für das Projekt? Wie hat alles angefangen?

Jan Dobinsky: Mein Mitgründer und ich erleben regelmäßig, dass alles rund um das Thema ‚Steuern‘ zu Frust führt. Insbesondere befreundete Gründer von Kleinunternehmen verzweifelten an steuerlichen Standardfragen. Wer seine Fragen googelt, hat später häufig nur noch mehr Fragen. Durch diese und weitere Erfahrungen kamen wir auf die Idee, einen interaktiven Ratgeber zu entwickeln, mit dem sich der Nutzer schnell, in einfacher Sprache und ohne großen Aufwand dem Thema Steuern nähern kann.

Nico Kuhlmann: An wen richtet Ihr Euch im Moment und plant Ihr in der nächsten Zeit Euren Ratgeber weiter auszubauen?

Jan Dobinsky: Ja, ein weiterer Ausbau ist in der nächsten Zeit geplant. Aktuell sind bei taxFriend einige Steuerfragen für Gründer, Selbstständige nach der Gründung, Angestellte und Auszubildende abgebildet. In der nächsten Zeit werden neue Steuerfragen entwickelt. Des Weiteren wird der Ratgeber für weitere Zielgruppen schrittweise erweitert, zum Beispiel für Vermieter oder Anleger.

Nico Kuhlmann: Ist es Euer Ziel, dass taxFriend den Gang zum Steuerberater im Ergebnis unnötig macht? Und wäre dies überhaupt möglich?

Jan Dobinsky: Nein. Für die Beratung eines konkreten Einzelfalls wird – wie bisher – der Steuerberater beziehungsweise der Rechtsanwalt benötigt. taxFriend ermöglicht es, dem Nutzer ein Grundverständnis für das Thema Steuern zu geben. Wenn der Mandant erstmal ein Grundverständnis für das Thema entwickelt hat, dann vereinfacht sich auch aus unserer Erfahrung die Beratung durch den Rechtsanwalt beziehungsweise den Steuerberater. Somit handelt es sich bei taxFriend um eine unterstützende Software für den Berater und den Mandanten.

Nico Kuhlmann: Was ist Euer Geschäftsmodell? Verdient Ihr Geld mit Eurem Online-Dienst?

Jan Dobinsky: taxFriend hat selber kein eigenes Geschäftsmodell, sondern hat sich sehr gut als ‚digitale Visitenkarte‘ entwickelt, um größere Projekte an Land zu ziehen. Beispielsweise entwickeln wir derzeit für eine große Steuerberatungsgesellschaft einen Prototyp für sehr spezifische Konzernsteuerfragen. Dabei verwenden wir unter anderem die von uns entwickelte Technologie von taxFriend. Des Weiteren programmieren wir für diverse Softwarehersteller die sog. Elster ERiC Schnittstelle zur Finanzverwaltung.

Nico Kuhlmann: Wo siehst Du den Beratungsmarkt in 10 Jahren? Was wird sich Deiner Meinung nach verändern?

Jan Dobinsky: Mit der Legal Tech, Tax Technology und FinTech-Welle sind bereits jetzt unzählige neue technische Lösungen entstanden. Die richtige Auswahl und die richtige Anwendung dieser Tools werden dazu führen, dass Projekte von Beratern schneller und effizienter gemeistert werden können. Beispielsweise ist LawLift eine sehr spannende Lösung. Mit der Software ist es möglich, ‚intelligente‘ Arbeitsvorlagen zu erschaffen, mit denen Verträge, Standard-E-Mails oder Angebote an Mandanten deutlich schneller erstellt werden können. Eine solche Lösung haben wir uns schon vor Jahren für den Alltag gewünscht.

Des Weiteren gehen wir davon aus, dass digitale Frage-Antwort-Systeme die Arbeit bei bestimmten Standardrechtsfragen, wie sie beispielsweise in Konzernen massenhaft vorkommen, erleichtern werden. Zum Beispiel kann die Frage nach der steuerlichen Behandlung von Betriebsveranstaltungen oder Geschenken bereits heute durch die Verwendung des WTS EVENTmanager vereinfacht werden. Dabei nehmen im ersten Schritt die Frage-Antwort-Systeme den Sachverhalt sauber auf und geben eine erste Einschätzung zur rechtlichen Behandlung. Erst im nächsten Schritt beschäftigt sich dann der Fachmann weiter mit der Frage. Durch die automatisierte Vorarbeit lassen sich die Rechtsfragen effizienter und rechtssicherer abarbeiten, wodurch viele Nerven und Zeit gespart werden können.

Aufgrund der zunehmenden Bedeutung von digitalen Lösungen wird der Legal Engineer beziehungsweise der Tax Engineer als eigener Beruf entstehen. Dieser wird sich unter anderem mit der Frage beschäftigen, wie juristische beziehungsweise steuerliche Arbeitsabläufe durch Technik schneller und effizienter abgewickelt werden können. Vor allem die Schnittstellen zwischen verschiedenen technischen Lösungen sind fehleranfällig. Auch hier kann diese neue Gruppe von Beratern sehr gut unterstützen.

Nico Kuhlmann: Welchen Tipp würdest Du jungen Hochschulabsolventen mit auf den Weg geben? Wie können diese sich Deiner Meinung nach am besten auf die digitalisierte Arbeitswelt vorbereiten?

Jan Dobinsky: Aus meiner Sicht wird es in der Zukunft immer wichtiger werden, als Berater die verschiedenen technischen Möglichkeiten zu kennen und effektiv einzusetzen. Meiner Erfahrung nach sind erfahrene Berater, die sich dafür begeistern können, die verschiedenen Möglichkeiten auszuprobieren und zu überprüfen, ob sie in den eigenen Berateralltag passen, leider in der Unterzahl. In diesem Bereich können Neueinsteiger durch IT-Affinität und fundiertes IT-Wissen die Beraterwelt sehr stark unterstützen.

Um sich als Hochschulabsolvent über die verschiedenen Lösungen auf dem Laufenden zu halten, sollte man neben dem Verfolgen von Blogs wie beispielsweise dem Legal Tech Blog oder dem taxtech.blog, Veranstaltungen und gegebenenfalls  Meetups zu den entsprechenden Themen besuchen. Falls möglich, ist es natürlich das Beste, wenn man die verschiedenen Tools selbst ausprobiert, um ein Gefühl für die jeweiligen Funktionen zu erhalten. Aus meiner eigenen Erfahrung nach ist es auch sehr hilfreich, sich Grundkenntnisse in mindestens einer Programmiersprache anzueignen, um die Denkweise der IT-Welt besser nachvollziehen zu können.

Nico Kuhlmann: Vielen Dank für das Interview, lieber Jan. Weiterhin viel Erfolg für Deine Projekte.