Etappensieg für die Verbraucherrechte durch Legal Tech

Der Europäische Gerichtshof entschied heute, dass die massenhaften Krankmeldungen der TUIfly-Mitarbeiter, die im Herbst 2016 zu massiven Störungen im Flugverkehr führten, kein außergewöhnlicher Umstand sind (verbundene Rechtssache C-195/17 u.a.). Damit entschied das Gericht gegen die Empfehlung des Generalanwalts. Die geschädigten Fluggäste haben damit gute Aussichten ihren Anspruch auf Entschädigungszahlungen erfolgreich geltend zu machen.

Eine Welle von Krankmeldungen der TUIfly-Mitarbeiter hatte im Herbst 2016 zu erheblichen Einschränkungen und zahlreichen Ausfällen im Flugverkehr geführt. Seitdem weigerte sich die Airline Entschädigungen an die betroffenen Fluggäste zu zahlen, nannte die Krankmeldungen einen „wilden Streik“ und berief sich auf außergewöhnliche Umstände um die EU-Verordnung 261/2004 zu umgehen.

Die Frage, ob die Umstände des Sachverhalts Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit der Fluggesellschaft sind und ob TUIfly diesen Vorfall hätte beherrschen können, bejahte der Europäische Gerichtshof. So heißt es im Urteil: „Erstens gehören Umstrukturierungen und betriebliche Umorganisationen zu den normalen betriebswirtschaftlichen Maßnahmen von Unternehmen. […] Daher sind in einer Situation wie der, zu der es Ende September/Anfang Oktober 2016 bei TUIfly kam, die Risiken, die sich aus den mit solchen Maßnahmen einhergehenden sozialen Folgen ergeben, als Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit der betreffenden Fluggesellschaft zu betrachten. Zweitens kann nicht angenommen werden, dass der hier in Rede stehende „wilde Streik“ von TUIfly nicht tatsächlich beherrschbar war. Abgesehen davon, dass er auf eine Entscheidung von TUIfly zurückzuführen ist, endete er trotz der hohen Abwesenheitsquote nach einer Einigung zwischen TUIfly und dem Betriebsrat vom 7. Oktober 2016.”

Abgesehen von der konkreten Konstellation des “wilden Streiks” betont der EuGH in seiner Entscheidung, dass nicht jeder Streik “unbedingt und automatisch einen Grund für die Befreiung von der Ausgleichspflicht darstellt”.  Damit liefert der Gerichtshof den ersten Ansatz, dass zukünftig die Rechtsprechung bei Streik womöglich umgekehrt werden muss.

Bei Flightright, dem marktführenden Portal für Fluggastrechte sind knapp 10.000 Kunden betroffen– allein das wären für TUIfly knapp 3,7 Millionen Euro Entschädigung. Dr. Philipp Kadelbach, Gründer und Chief Legal Officer bei Flightright zum heutigen Urteilsspruch des EuGH: „Wir freuen uns sehr, dass das Urteil des Europäischen Gerichtshof der Empfehlung des Generalanwaltes nicht gefolgt ist. Wir teilen die Einschätzung des Gerichts, dass TUIfly die Verantwortung für die Vorkommnisse übernehmen muss und der ‘wilde Streik’ nicht als außergewöhnlicher Umstand eingeordnet werden kann.” Kadelbach sieht das Urteil auch als Erfolg für die Kunden: “Für die  insgesamt knapp 10.000 Flightright-Kunden, die von den Auswirkungen des wilden Streiks betroffen sind, ist dies ein großer und wichtiger Schritt zu ihrer Entschädigung, für die wir jetzt bei den nationalen Gerichten in Deutschland, Österreich, Spanien, Italien und Frankreich für weiterkämpfen werden.“