Blockchain – Chancen, Recht und Regulierung (Teil 2)

von RA Dr. Andreas Neumann

Um die spannende Frage einer möglichen E-Person (neben der natürlichen und der juristischen) und alternative Mobilitätskonzepte ging es sodann im Vortrag von Marco Müller-ter Jung und Nina-Luisa Siedler, Partner der Kanzlei DWF, über „Blockchain-Anwendungen für autonomes Fahren“. Eine der zahlreichen Ideen ist die der Self-Owning Car. Diese nimmt einen Kredit für den Eigenerwerb auf und führt ein Wallet, eine elektronische Geldbörse, mit sich. Sie erledigt bezahlte Fahrdienste und bedient aus ihren Einnahmen den Kredit sowie Versicherungs- und andere Kosten. Nach Rückführung des Kredits steht die Self-Owning Car der lokalen Community zur Verfügung.

Derzeit haften nur Hersteller, Betreiber, Eigentümer, Nutzer für etwaige Schäden, nicht Maschinen. Roboter sind keine Inhaber von Rechten und Pflichten, so dass eine Zurechnung derzeit ausscheidet. Allerdings kann sich der Mensch immer weiter darauf zurückziehen, sich auf die intelligente Technik verlassen zu dürfen, so dass Haftungslücken entstehen. Mit wachsender Komplexität wird die Verantwortlichkeit immer zweifelhafter. Die Referenten berichteten von Empfehlungen für zivilrechtliche Regeln der Robotik des Europäischen Parlaments und von dessen Scientific Foresight Unit (STOA). Der Begriff des intelligenten Roboters wird ebenso diskutiert wie eine Registrierungspflicht (Roboter-Register) und eine Versicherungspflicht mit einem Fonds für etwa nicht abgedeckte Schäden. Ferner seien Haftungsobergrenzen im Gespräch und die Ausstattung der Roboter mit einer Blackbox. Weitere Themen waren u.a. die Self-Managing Car (Finanzierung per Initial Coin Offering durch Ausgabe von Token) und die Self-Owning Car Fleet mit der Möglichkeit von Nutzerbewertungen und Vergleichen.

Mary-Rose McGuire, Lehrstuhlinhaberin an der Universität Osnabrück und Direktorin des Centrums für Unternehmensrecht, zeigte nach der Mittagspause die mit der Blockchain-Technologie und ihren Anwendungen verbundenen Fragen aus dem Bereich des Immaterialgüterrechts auf. Das Sachenrecht ist auf immaterielle Güter nicht anwendbar. Zu trennen sind immaterielle Güter als ein Faktum von Immaterialgüterrechten als einer Rechtsposition. Für die Blockchain an sich gebe es letztlich zwar keinen Patentschutz, möglicherweise aber für die konkreten Komponenten. Es gibt Raum für technische Innovationen, was die Unterschiede zwischen den Anwendungen Bitcoin und Ethereum bereits zeigten und in der Fülle von Patent-Anmeldungen von Blockchain-Applikationen zum Ausdruck komme, z.B. Management digitaler Identitäten. Software als Sprachwerk genieße ebenso Urheberrechtsschutz wie die generierten Daten als Datenbank. In Betracht kommt drittens auch der Know-How-Schutz aus Art. 3 Abs. 1 EU-TSD. Beim Schutzgegenstand Blockchain ist zu differenzieren zwischen der jeweiligen Kette selbst und der Technologie. Beides wird als Blockchain bezeichnet. Davon zu differenzieren ist der Schutzumfang. Ferner ist zu unterscheiden zwischen der Leistung Blockchain und den wirtschaftlichen Einsatzmöglichkeiten.

Das Patentrecht schützt durch mögliche Ansprüche auf Beseitigung, Unterlassung und Schadensersatz die Idee, nicht die Ausführungsform. Dem Blockchain-Design selbst fehlt es an der Neuheit gem. § 3 Abs. 1 PatG. Algorithmen sind nach § 1 Abs. 2 PatG ebenso ausgenommen wie Software. Der Distributed Ledger (die Datenkette) ist keine Leistung des Erfinders.

Insgesamt passe das Patentrecht nicht optimal für die rasant fortschreitenden Entwicklungen, da eine Patent-Anmeldung durchschnittlich 18 Monate dauere. Es handelt sich zudem nur um ein nationales Konzept im Gegensatz zum internationalen Internet.

Die Referentin sprach noch den Schutz vor Dekompilierung und Programmbeobachtung an und verwies auf neuere Geschäftsideen wie binded.com, ascribe.io und bernstein.io, die nach Registrierung und Nachweis der Urheberschaft eine Verwaltung von Verwertungsrechten und Lizenzen ermöglichen sowie eine Überwachung der tatsächlichen Nutzung.

Thema von Jean-Louis Schiltz von der Universität Luxembourg und Partner der Anwaltskanzlei Schiltz & Schiltz, waren „ICOs and financial regulation – where are we going“. Die zahlreichen aktuellen rechtlichen Herausforderungen auf europäischer wie weltweiter Ebene (z.B. Verbot von ICOs in China und Südkorea) wurden in einer Tour de Force beschrieben.

Jakob von Weizsäcker, Mitglied des Europäischen Parlaments und Berichterstatter des Ausschusses für Wirtschaft und Währung, sprach über „Blockchain – eine europäische Perspektive“. Der Referent hatte die mit großer Mehrheit angenommene EU-Resolution zu virtuellen Währungen vom 26.05.2016 mit vorbereitet. In der thematisierten Begründung zum Resolutionsentwurf heißt es wie folgt:

„Präventive und strenge Vorschriften, die das Wachstum hemmen würden, können und sollten vermieden werden. Eine solche intelligente Regulierung, die auf analytischer Exzellenz und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beruht, darf jedoch nicht mit einer lockeren Regulierung verwechselt werden: Das Instrumentarium sollte schnelle und effektive Regulierungsmaßnahmen umfassen, damit Risiken angegangen werden können, bevor sie systemrelevant werden und wann immer erforderlich.“

Der Referent schlug dabei die Schaffung einer horizontalen Task Force Distributed Ledger Technology (DLT) vor, die unter der Federführung der Kommission einzusetzen sei.

Besprochen wurde darüber hinaus der Vorschlag der Kommission vom 05.07.2016 für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Geldwäscherichtlinie.

Quintessenz des Vortrags war, dass nicht die Technologie an sich, sondern die Anwendungen reguliert werden sollten. Dies sollte rechtzeitig geschehen, bevor die Anwendungen systemrelevant werden. Systemkrisen müsste vorgebeugt, andererseits die Entwicklung von Märkten nicht behindert werden

Patrick Murck, Fellow des Berkman Center der Harvard Law School und Special Counsel der Kanzlei Cooley, brachte im lockeren Plauderton im Gespräch mit den ca. 180 Teilnehmerinnen und Teilnehmern die amerikanische Perspektive auf Blockchain und Smart Contracts ein. Zu den angesprochenen Themen gehörte wohl die aktuelle Entscheidung der US-Börsenaufsicht SEC (United States Securities and Exchange Commission) zum Bitcoin-Fonds.

Dirk Kretzschmar, Geschäftsgebietsleiter IT der TÜV Informationstechnik GmbH, berichtete am Schluss der Tagung über das disruptive Potential der Blockchain: Geschäftsmodelle und Einsatzmöglichkeiten.

Wie bereits Prinz skizzierte auch Kretschmar die Entwicklung des Internets. Kretschmar beschrieb das Internet of Information, das im Wesentlichen mit Kopien funktioniert, nämlich PDFs, PPTs, DOCs und E-Mails sowie Bilddateien. Neu ist nun das Internet der Werte, nämlich des Geldes, des geistigen Eigentums, des Emissionshandels, der Identitäten. Auch eine Wahl sei über dieses Internet der Werte denkbar.

Anwendungsmöglichkeiten ergeben sich in der Lebensmittelindustrie (Rückverfolgung von Lebensmitteln), in der Versicherungsbranche, in der Tourismusbranche (Gepäckverfolgung) usw.

Momentan hätten gewissermaßen noch die traditionellen Vermittler (Intermediäre) die Macht. Die Möglichkeiten der Digitalisierung seien asymmetrisch vereinnahmt worden. Die Intermediäre lösten das Double Spending Problem. So verhinderten die FinTech-Unternehmen, dass das gleiche Geld zweimal an verschiedene Personen überwiesen werde. Dieses Problem kann aber auch die Blockchain lösen. Die Vision ist ein riesiges globales Konto, das jedem zugänglich ist.

Mit dem Schlusswort von Nikolas Guggenberger wurde die gedankenreiche Veranstaltung abgeschlossen. Sie hat großes Interesse und den Bedarf nach weiteren Tagungen zu den besprochenen Themen geweckt.