Das beA und der Aktenkarren – Gedanken von Prof. Christian Wolf

Hier einige sehr interessante Gedankenanstöße von Prof. Christian Wolf zum beA, die auf LinkedIn zur Diskussion gestellt wurden:

Einige Fragen für alle, die derzeit mit großem Eifer die Probleme des beA kommentieren, die mindestens so sehr der Diskussion wert sind:

  • An wie vielen Gerichten werden die Gerichtsakten noch in offenen Aktenkarren transportiert?
  • Wie lange lassen die Gerichtswachtmeister die Aktenkarren unbewacht am Gang stehen, wenn sie die Akten aus dem Auslauf im Richterzimmer holen?
  • An welchen Gerichten gibt es noch frei zugängliche Anwaltspostfächer?
  • Wie viele Anwälte haben das Schloss zu den Büroräumen nach Anmietung der Kanzleiräume wechseln lassen?
  • Wie viele Kanzleien verfügen über einen Briefkasten, der nicht mit einer einfachen Büroklammer geöffnet werden kann?
  • Wie viele Anwälte können ihr Smartphone im Verlustfall komplett löschen lassen?
  • Welche Gerichte kontrollieren, ob eine eingereichte Klage tatsächlich von einem zugelassenen Rechtsanwalt eingereicht wurde, oder ob es sich nicht um einen Fake-Briefkopf handelt?
  • Welche Gerichte kontrollieren die Unterschrift des Rechtsanwalts auf ihre Echtheit?

Um nicht missverstanden zu werden: Datenschutz ist wichtig, man muss die Diskussion um das beA aber in den richtigen Zusammenhang stellen

Bei der Kritik am beA muss man sich auch verdeutlichen, dass das beA nicht der Kommunikation mit dem Mandanten, sondern primär der mit den Gerichten dient. In erster Linie sollen über das beA entsprechend § 130a ZPO vorbereitende Schriftsätze und deren Anlage bei Gericht eingereicht werden können. Lohnend wäre die Diskussion, ob nicht auch diese Schriftsätze am Öffentlichkeitsprinzip nach § 169 GVG teilhaben müssten. In Sachen Transparenz von Gerichtsakten hinkt Deutschland deutlich der internationalen Entwicklung hinterher. In den USA ermöglicht das Pacer-System einen weitgehenden Einblick in court documents. Für die oft als Geheimjustiz verschriene Schiedsgerichtsbarkeit verpflichtet die Mauritius-Konvention die Vertragsstaaten zu hoher Transparenz https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Downloads/M-O/mauritius-konvention.pdf?__blob=publicationFile&v=2. Die ICSID-Verfahren werden auf der Seite https://www.italaw.com/ nahezu vollständig dokumentiert.

Die Kommunikation zwischen Rechtsanwalt und Mandaten, die ohne jede Diskussion dem Anwaltsgeheimnis unterliegt, läuft häufig über Email, ohne dass eine Vielzahl von Anwälten irgendwelche Bedenken haben an eine gmail.com, yahoo.com oder ähnliche Adressen vertrauliche Anwaltspost zu schicken oder gar selbst so eine Adresse zu verwenden. Und ein letztes was mich an der derzeitigen Diskussion stört: Was wäre die Alternative zu einem durch die BRAK betriebenen beA? Ein durch das dem Bundesinnenministerium nachgeordneten Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnologie betriebenes beA? Die durch die Kammern organisierte Selbstverwaltung ist das Fundament einer unabhängigen Rechtsanwaltschaft und damit unseres Rechtsstaats. Bei aller – vielleicht zum Teil auch berechtigten – Kritik sollte man sich stets diese grundlegende Bedeutung der Selbstverwaltung vor Augen führen. Eine völlig überzogene Kritik, wie sie derzeit in den Medien und sozialen Netzwerken stattfindet, hilft jedenfalls nicht weiter.